rastlos - Reiseberichte aus aller Welt! Reisebericht China 2007 

Hangzhou und Guilin


Unsere Reise führt mit dem Zug weiter nach Hangzhou. Die landschaftliche Schönheit der Stadt ist in ganz China berühmt – doch natürlich schießen auch hier inzwischen die Hochhäuser aus dem Boden. Aber es gibt noch ein paar nette Flecken, und wozu muss denn Natur denn größer sein als hundert mal hundert Meter?!
Wir besichtigen das liebevoll restaurierte Haus des ehemals reichsten Mannes von China, eines hohen kaiserlichen Beamten. Im Garten des Hauses ist ein Meisterstück chinesischer Gartenbaukunst inklusive See, Pavillon und künstlichen Höhlensystem.
In einer Straße der Altstadt reiht sich eine Apotheke an die andere – wir bestaunen die skurrilen Objekte der traditionellen chinesischen Medizin wie getrocknete Frösche, Ginseng-Wurzeln, eingelegte Schlangen oder lebende Skorpione. Kein Wunder, dass bei diesem Anblick jeder Kranke augenblicklich wieder gesund wird!

Weiter geht es mit einer Bootsfahrt auf dem Westsee, der Hauptsehenswürdigkeit von Hangzhou und chinesisches Idealbild für Romantik und Naturschönheit. Natürlich haben hier Dynastien von Landschaftsgestaltern kräftig Hand angelegt und genauso natürlich treten sich auf den idyllischen Uferpromenaden Millionen von Touristen gegenseitig tot, während Reiseleiter mit Megafonen ihren hilflosen Opfern in die Ohren brüllen. Wahrzeichen des Westsees sind kleine schwimmende Pagoden, die sich auch auf dem 10-Yuan-Schein wieder finden. Wenn man die Touristenmassen allerdings mal kurz abgeschüttelt hat, kann man die Gartenbaukunst doch noch ein wenig würdigen.
Auf dem Weg zum Tempelkloster Lingyin Si „Tempelkloster der wunderwirkenden Weltferne“ (heute nicht mehr…) findet man verschiedene buddhistische Skulpturen in die Felswand geschlagen. Direkt nebeneinander finden sich die drei Zeitformen Buddhas: Vergangenheits-Buddha, Gegenwarts-Buddha und Zukunfts-Buddha. Der chinesische Dickbauch-Buddha ist eine Inkarnation des Zukunfts-Buddhas, der nun die Mühen und Sorgen des irdischen Lebens hinter sich hat und aus tiefster Seele darüber lachen kann. Man darf das Leben eben nicht allzu ernst nehmen, will uns wohl diese Plastik sagen.

Weiter führt uns die Reise nach Süden in die Stadt Guilin. Die Gegend um Guilin mit ihren bizarren Karstbergen gehört sicher zu den schönsten Landschaften der Welt.
Auf einer nächtlichen Lichterfahrt durch Guilin können wir uns noch einmal von der Vorliebe der Chinesen für bunte Lichter überzeugen. Die ganze Stadt ist nachts angestrahlt und leuchtet wie ein riesiger Weihnachtsbaum. Für unseren Geschmack ist die Grenze zum Kitsch dann doch langsam überschritten – aber über den lässt sich ja bekanntlich streiten. Zumindest in diesem Punkt müssten sich Chinesen und Amerikaner eigentlich prima verstehen.
Eine Sehenswürdigkeit für sich sind die Kormoranfischer des Li-Flusses. Auf schmalen Bambusflößen gehen sie mit zahmen Kormoranen auf Fischfang, wobei eine Schlinge um den Hals des Vogels verhindert, dass er die größeren Fische hinunterschlucken kann. Bei einernächtlichen Vorführung auf dem Li-Fluss kann man die gefiederten Fischer in voller Aktion erleben.

Höhepunkt eines Besuches in Guilin ist eine Fahrt auf dem Li-Fluss, bei der man die bezaubernde Landschaft mit ihren Karstbergen, Reisfeldern und Bambushainen an sich vorbeiziehen lässt, während man gemütlich an Deck herumlungert. Ein einmaliges Erlebnis, das wir beinahe in völliger Einsamkeit genießen werden. Eine ganze Flotte an Touristen-Schiffen zieht den Li-Fluss entlang, und wir mitten drin!
Und weil der Tag so schön beginnt, genehmigen sich Frank und ich erst einmal einen Schlangenschnaps. Das Zeug heißt nicht nur so, sondern da sind wirklich Schlangen in der Brühe eingelegt. Schmecken tut der Stoff, als ob auch Flugzeuge damit fliegen würden. So gestärkt torkeln wir an Deck und lassen uns von der einzigartigen Flusslandschaft beeindrucken.

Unterwegs legen wir an und besichtigen eine der zahlreichen Tropfsteinhöhlen in den Karstbergen. Und erwartet eine Naturschauspiel so unberührt wie Disneyland: Überall bunte Lichter, eine unterirdische Eisenbahn, eine kleine Bootsfahrt, singende Mädels hinter den Stalagmiten… Nun ist es wirklich genug, nichts wie raus hier! Aber einen Vorteil hatte die Höhlenbesichtigung doch: Die anderen Schiffe sind längst weitergefahren und wir haben den Li-Fluss nun doch noch für uns.
Entstanden ist die Landschaft durch Meeresablagerungen und eine Anhebung des Meeresbodens, aus dem die Natur im Laufe der Jahrtausende durch Erosion diese bizarren Türmchen geformt hat. Die Chinesen haben klangvollen Namen für die Karstberge, wie beispielsweise „Drachen spielen mit Wasser“, „Ein Knabe verehrt den Buddha“ und so weiter. Während wir gemütlich an Deck rumlümmeln, zieht das Panorama der Flusslandschaft an uns vorbei.
Die Flussfahrt endet in dem Städtchen Yangshou, wo wir den Abend über bleiben werden. Die ganze Stadt lebt vom Tourismus und ist gespickt mit Souvenirständen, Bars und Restaurants. Heute abend bestellen wir mal wieder was Exotisches: Schlangensuppe. Als wir dann aber gefragt werden, ob wir die Schlange vorher noch mal sehen wollen, bekommen wir doch ein paar kleine Schuldgefühle. Aber was soll’s… Die Schlangensuppe erweist sich dann leider doch nicht als kulinarischer Geheimtipp. Das nächste Mal lassen wir die Schlange leben.
Am nächsten Tag geht es von Yangshou aus mit dem Fahrrad in die beeindruckende Karstlandschaft hinein. Wir haben vielleicht keinen neuen olympischen Rekord im Zeitfahren aufgestellt, aber bei dieser Landschaft muss man auch mal öfters eine Pause einlegen, um die Aussicht zu genießen und zu fotografieren. So ganz allmählich neigt sich die Rundreise ihrem Ende entgegen, und eine Radtour in dieser Umgebung, fernab der großen Städte, stellt mit Sicherheit einen würdigen Abschluss der Reise dar.


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