2: Chinesische Mauer, Temple of Heaven

27. Februar 2002:
Auf keinen Fall verpassen, wenn man schon mal in Peking ist, sollte man die Chinesische Mauer.
Damit es nicht allzu kitschig wird, hatten wir beschlossen, nicht den Teil der Mauer zu besuchen, der extra schön für die Touristen zurecht gemacht wurde, mit Rollstuhlrampen, flachen Treppen, sauber und immer frisch renoviert, sondern stattdessen, einer Lonely Planet Empfehlung folgend, nach Simatai zu fahren, wo alles ein wenig ursprünglicher sein sollte.
Wir hatten uns in eine Tour eingebucht (ach so, Auto mieten geht als Tourist nicht, weil man ohne chinesischen Führerschein in China nicht fahren darf. Da sind sie wohl auch ein bisschen seltsam, die Chinesen. Die Ausländer, die dort wohnen und ein eigenes Auto haben, bekommen gesonderte Ausländerkennzeichen, wahrscheinlich damit sie bei Verkehrskontrollen möglichst einfach rausgefischt werden können. Egal.)
Wir mussten schon um 6:45 los, mit dem Taxi zu einem anderen Hotel, von wo aus der Bus losfahren würde. Die Reisegruppe bestand aus etwa 10 Leuten, vorwiegend Europäern im besten Backpackeralter. Über die Autobahn ging es nur schleppend voran, bis dann der Verkehr irgendwann fast völlig zum Stillstand kam. Jede Menge Uniformierte hatten eine der beiden Spuren komplett dicht gemacht. Laster, Busse, Mopeds und Autos stauten sich in der verbleibenden und im Standstreifen. So ging es für fast zwei Stunden bestenfalls in Schrittgeschwindigkeit voran, bis dann - endlich - eine kleine Kolonne schwarzer Limousinen in der freien Spur vorbeibrauste, die chinesische Führungsriege auf dem Weg zu Flughafen. Und dafür kommen wir zu spät zur Mauer. Man, war ich sauer!
Als wir denn endlich gegen 11:30 ankamen, waren wir beide ziemlich ernüchtert. Die Mauer sahen wir schon auf der Fahrt sich bis zum Horizont erstrecken und angesichts ihrer Länge war ich beeindruckt, aber ein wenig karg und grau war es dann doch, in Simatai. Auf Fotos war sonst immer Wald oder irgendwas nettes, hier gab's nichts davon. Dafür war es tatsächlich relativ einsam.

(Die chinesische Mauer ist hier auf einer Karte verzeichnet, damit man einen besseren Überblick bekommt: Karte der Mauer.
Und für die ganz Wissbegieriegen gibt's hier auch noch ein bisschen extra Info zur chinesischen Mauer.)

Eine kleine Reihe Restaurants, nach westlicher Vorstellung eher Imbisse mit Tisch und Stuhl, sah zwar nicht sonderlich einladend aus, aber da wir bisher nur eine Banane gefrühstückt hatten, entschieden wir, noch schnell einen Happen zu essen - obwohl es um 14:00 schon wieder zurück nach Peking gehen sollte.
Das war dann auch wieder so ein Ding mit dem Restaurant. Es gab bestimmt ein dutzend dieser Imbisse, nett aneinandergereiht, und wir orderten gebratenen Reis im letzten der Reihe. Die Bediene tiegerte dann los, den ganzen Weg zurück zum allerersten Restaurant der Ansammlung, und kehrte dann drei Minuten später mit unserem Reis von dort zurück.
Nun aber los, die Zeit drängt. Eine kurze Wanderung über einen Feldweg brachte uns an die chinesische Mauer, dort gab es gemauerte Treppen, die nichtsdestotrotz sehr steil waren. Wir beide waren so etwa die letzten unserer Reisegruppe, die dort ankamen. Waren ja auch die einzigen, die zum Essen pausiert hatten.
Aller paar hundert Meter auf der aus Ziegeln gebauten Mauer gab es kleine Türmchen, Geländer o.ä. dafür die meiste Zeit überhaupt nicht und ich fühlte mich hier pudelwohl. Nur Ilene war der Aufstieg zu anstrengend und sie blieb auf halbem Wege zurück. Das war dann auch okay, denn ich wollte bis zum Gipfel und das wäre mit ihr dabei nun mal nicht gegangen. Ein Kraftakt zwar, aber ich rammelte so ziemlich an allen anderen aus dem Bus vorbei, die noch vor mir waren. Ein überholter Brite kommentierte das mit "look, the madman".
Weichei.

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Tatsächlich war ich als zweiter ganz oben, etwa 13:00. Weiter ging es nicht, die Mauer war zu zerfallen. Und es war die Aussicht, nicht die Anstrengung, die mir den Atem nahm.
Leider blieb nicht allzu viel Zeit, sie zu genießen, denn je länger man eine Freundin warten lässt, desto saurer wird sie. Also machte ich mich wieder zurück. Sie hatte sich die Zeit aber nicht gelangweilt. Eine alte Chinesin hatte sich mit ihr unterhalten und ihr auch ein paar Postkarten und ne Cola verkauft.
Auch so ein Ding, auf dem Feldweg zur Mauer lauerten sie nämlich schon, mindestens zwei dutzend einheimische Händler und mindestens je einer heftete sich an die Fersen der Mauerbesteigergrüppchen und nervte so lange, bis etwas gekauft wurde. Einige weitere warteten dann in den Türmchen auf der Mauer. Die einzige Möglichkeit ihnen zu entfliehen war, möglichst schnell die Treppen zu meistern. Mir kam keiner. Die Chinesin erzählte, dass die Händler Bewohner eines nahe gelegenen Dorfes wären und Landwirtschaft hier nicht mehr für den Lebensunterhalt ausreicht. Deswegen müssten sie den Touristen auf den Sack gehen. Letztlich versuchen auch sie nur ein paar Yuan zu machen und dass ihr das keinen Spaß macht, glaub ich auch. Sie war mindestens 70 und kämpft sich jeden Tag die Mauer rauf. Also kaufte ich halt auch noch ein Getränk von ihr und hoffte, nun wäre endlich Ruhe. Nichts da, sie wollte noch ein paar Kalender losschlagen. Ich nickte Ilene zu und wir legten einen Schritt zu.
Kurz vor 14:00 waren wir dann am Bus, dessen Fahrer im Vorfeld schon deutlich gemacht hatte, dass er nicht warten würde, falls jemand zu spät käme. Arsch. Ich hätte mir gern mehr Zeit für die chinesische Mauer genommen.
Es ging zurück nach Peking und unser schöner, erlebnisreicher Mauertag war zu Ende.

28. Februar 2002:
Der Temple of Heaven stand für heute auf unserem Programm. Er war in einer schönen Parkanlage gelegen und eine nette Abwechslung zur stinkigen Stadt. Leider stellte er sich recht schnell als Touristenfalle heraus. Es gab darin einige vertrackt konstruierte Anlagen, die Schall und Echos über weitere Strecken transportieren. Dafür war das Teil besonders bekannt. Allerdings kosteten die jeweils extra Eintritt und das sahen wir dann nicht ein. Also schlenderten wir einfach so durch die Parkanlage.
Als wir uns auf den Rückweg begaben, bogen wir irgendwo falsch ab, für eine Abkürzung, und waren urplötzlich weit entfernt von geteerten Straßen und Neubaublöcken, in einem Viertel aus dreckige, zerfahrenen Wegen und runtergekommene Holzhütten, eine Armenviertel nach westlichen Maßstäben, aber hier dann doch nicht so schlimm, so lebt man halt in China.
Gegen 19:00 waren wir dann wieder am Hotel.

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Fazit Peking: Peking ist eine Stadt enormer Kontraste. Sozialistische Neubauarchitektur steht hier neben Plätzen, die eher an den Timesquare in New York erinnern und dreckigen, dörflichen Vierteln. Alles, was nahe der U-Bahn-Linien liegt ist bequem zu erreichen und Taxis sind billig. Hauptverkehrsmittel der Chinesen ist aber das Fahrrad. Alles geht damit, und nicht nur Personenbeförderung. Selbst die Müllabfuhr funktioniert mit dem Fahrrad! "Beeindruckend" war auch die allgegenwärtige Spuckerei unter männlichen Chinesen, selbst in Restaurants wird auf den Boden gerotzt.

1: Peking 0: China 2002 3: Zug nach Xian
China 2002 tommy Ilene