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...bis Neujahr in Tokyo

25. Dezember 1999, Samstag:

Der Tag begann recht häuslich, um 11:00 mit frühstücken und Wäsche waschen.

Erst gegen 14:30 zogen wir nach Ueno, in einen Park. Später bot auch dieser Stadtteil eine Einkaufsmeile mit eigenem Flair. Entlang der S-Bahn gab’s Gemüse- und Klamottenläden, Videotheken und Bücher – einfach alles. Ich fand’s sehr angenehm, normaler als Harayuku gestern.
Die anderen fuhren schon zeitig zurück, ich und Bäumchen kamen gegen 18:00 nach Hause. Dort haben wir selbst gekocht.

Halb zwölf zogen wir dann geschlossen los, nach Shinjuku, ins Liquid Room. Der Club selbst ist in einer siebten Etage untergebracht, der Lift war abgeschaltet, man musste Laufen. Die Schlange begann im dritten Stock! So würde das natürlich nix werden, da kämen wir ja nicht vor früh um vier an die Tür... Also stellten wir uns ungefähr in Etage 6,5 an und waren recht flott drin, im Liquid Room. Und da war es richtig geil. Die Bässe brummten, der Boden vibrierte, und jedes Mal, wenn der Beat reinkickte, tobte die tanzende Menge. In meinem ganzen Leben hab ich Leute noch nie so gut abgehen sehen, wie hier im Liquid Room. Draußen stehen sie ganz artig da, aber kaum sind sie auf der Tanzfläche, drehen sie ab, die Japaner. Selbst an der Bar tanzte alles. Ich sag ja, hier bin ich daheim.
Gegen 4:00 zogen sich El, Daggi, Schmeissi (er musste ja, sonst wäre Daggi sauer) zurück. Der Rest blieb noch bis früh um 7:00. Auf dem Weg nach Hause kauften wir noch einen Happen zu Essen im Convenience Store und waren so gegen 8:00 im Bett. Das war mal ein echter Hammerabend!

26. Dezember 1999, Sonntag:

Dementsprechend kamen wir heute erst am frühen Nachmittag aus dem Bett. Frühstüch ging gemach, und auch sonst hatte heute keiner Bock auf viel Action. Um halb vier rum machte ich mich mal alleine auf den Weg durch die große bunte Stadt, nach Shibuya, einen weiteren Distrikt mit vielen Läden, viel bunter Leuchtreklame, und mit einigen roten Laternen. Um halb sieben war ich dann aber wieder zurück. Ein paar japanische Freunde von Marucs kamen heute Abend nach und nach dazu, kochten leckeres Okonumiyaki (eine Art Eierkuchen, voll lecker!) und im Verlauf des Abends waren zwanzig Leute in der 10m²-Bude. Schöne Party das. Alex, auch einer von den Leute, die sofort Stimmung verbreiten, wenn sie irgendwo hinkommen, kannte ein paar spaßige Trinkspiele, die wir der Reihe nach ausprobierten. Einige von den Japanerinnen waren am Ende ganz schön dicht.

27. Dezember 1999, Montag:

Um 10:00 waren wir mit dem Frühstück durch und saßen eine halbe Stunde später in der S-Bahn nach Kamakura. Das liegt ungefähr zwei Stunden außerhalb Tokyos und war das erste Mal, das wir überhaupt aus der Stadt rauskamen. Da gab’s einen Tempel zu bestaunen, ein paar von uns zogen durch einen Bambuswald. Gegen 16:00 sprangen wir wieder in den Zug, um noch schnell nach Hase [stimmt das so, Marcus?], wo ein Riesenbuddha steht. Der sollte leider schon um 17:00 zu machen, also war Eile geboten. Beeindruckend war er aber, wie er das so stand, mit den ganzen kleinen Menschen davor. Da konnte man hinten auch reingehen.

Dann fuhren wir noch ein bisschen weiter in die einbrechende Dämmerung hinein, auf eine nahe gelegene Insel. Dort gab es Meer und Höhlen, in die man auch hätte reingehen können, das leider aber nur tagsüber. Vielleicht hätten wir eher aufstehen sollen. Immerhin konnte man in der Ferne den Mt. Fuji sehen.

Anschließend standen noch 2h Heimfahrt an, da noch ein bisschen Videos geschaut und die mitgebrachten Nudeln aus der Heimat vertilgt.

28. Dezember 1999, Dienstag:

Lange geschlafen. Gegen 13:30 zogen wir dann los zum Kaiserpalast in Tokyo. Seit dem 25. war dort blöderweise alles zu. Winterpause oder so. Da konnten wir bloß eine Runde drumrum latschen und anschließend in einen nahen Park. Während Schmeissi und Daggi inzwischen zur Wohnung zurück wanderten, zog der Rest zum Tokyo Tower, dem Eifelturm der Stadt. Ursprünglich hätten wir wohl hoch gewollt, aber das Ding ist eine reine Touristenfalle. Bis zur Hälfte hätte den Aufwand nicht gelohnt, und bis ganz rauf zu fahren hätte uns ruiniert.

Wir sind noch bei McDonalds rein und dann nach Hause, wo El für den Abend leckere mitgebrachte Klöße zu kochen versuchte. Wir haben sie trotzdem gegessen.

Später schauten wir noch True Romance auf Video und Alex plus Feundin kamen vorbei. Kamakura gestern war eine schöne Abwechslung und wir überlegte zusammen, wo man denn noch eine Tagestour hin unternehmen könnte.

29. Dezember 1999, Mittwoch:

Heute noch mal in der Stadt umhergezogen, Mittag nämlich nach Askura, wo u.a. das einem Bierkrug nachempfundene Gebäude der Asahi-Brauerei steht. Unten goldfarbene Fassade, oben silberner Schaum. Naja, und dann war oben noch so’ne karottenförmige Art Skulptur drauf, die dem Gebäude bei Schmeissi den Spitznamen „the Big Shit“ einbrachte, bei mir im Tagebuch steht „Empire Beer Building“.

Oben gab’s schöne Aussicht über Fluss und Stadt und ein Restaurant. Ein billiges Bier gab’s für 500¥. Kurz vor drei begannen wir noch eine Flussschifffahrt und das war schon ganz geil. So sieht man die Stadt mal aus einer anderen Perspektive. Mit der S-Bahn fuhren wir dann nach Aomi [?, Marcus???], wo so was wie ein Unterhaltungspark stand, incl. Riesen-Riesenrad. Sind wir aber nicht rauf, ich hab ohnehin Höhenangst. Stattdessen schlenderten wir alle zusammen durchs Einkaufszentrum und durch ein Toyota-„Autohaus“ (mit Vorführungen, Fahrsimulatoren, Geruchskino usw., mehr eine Promotionveranstaltung, etwa Disneyland meets Toyota).
Mit der Skytram fuhren wir zurück.

30. Dezember 1999, Dienstag:

Ein Wandertag stand an, raus aus der Metropole, runter nach Hakone. Alex und Lena, seine Freundin, waren auch dabei.
Aus Erfahrung klug geworden standen wir extra schon um 6:00 auf, waren um 7:15 in Shinjuku, wo wir in einen Zug umsteigen mussten, und kamen um 10:00 nach Hakone. Hier gab es Berge, Seen, heiße Quellen und rundherum fantastische Natur.

Für das Gebiet konnte man Tagespässe erwerben, die zum Bus-, Boot- und Seilbahnfahrten berechtigten. Die Kosteten: 5,400¥! Die meisten unserer Crew hatten einen, bloß Marcus, El und ich dachten, wir könnten was sparen und starteten unsere Wanderung zu Fuß.

Vom Bahnhof liefen wir erstmal eine ganze Weile auf Asphalt bergauf. Als uns das nach 2 Stunden zu doof wurde, schnappten wir uns auch einen Bus, fuhren für 500¥ mit, und liefen weiter, bis wir an der Seilbahnstation ankamen, von wo aus die anderen auch schon losgefahren waren oder irgendwann später losfahren würden.
Wir liefen.
Das Schild am Wanderweg gab für den Weg zum Gipfel 60 Minuten an. Na klar, dachten wir uns, Japaner haben auch kurze Beine, wir packen das in zehn. Jo, war nix. Hat auch für uns 60 Minuten gedauert, aber die hatten es in sich. Es war steil, rutschig, nass und kalt, aber aus eigener Kraft auf einen japanischen Berg zu besteigen, war schon was. Die Landschaft war mit Sicherheit geiler als aus der Seilbahn, oben standen wir mittendrin in einer Wolke, und der Abstieg auf der anderen Seite war nicht zu toppen! Die großen Bäume wichen stetig kleineren Bäumen, die kleinen Bäume wurden von kahlen Bäumen verdrängt, und ein paar Meter weiter gab’s gar keine mehr, sondern nur noch dampfende Schwefelquellen und gelbe Erde. Kurz darauf kamen wir an die andere Seilbahnstation, wo man im Schwefeldampf gekochte schwarze Eier kaufen konnte, die, wenn man sie aß, angeblich das Leben um je ein Jahr verlängern. Bin mal gespannt...

Von da aus liefen wir zu dritt 45 Minuten runter zu See. Als wir 15:30 dort ankamen, mussten wir erstmal überlegen, wie es denn jetzt von hier aus weiterginge. Wir nahmen für 500¥ den Bus, den Rest des Weges liefen wir. (Für mehr Geld hätte man auch mit einem Boot über den See schippern können.) Bis etwa um fünf war das auch ganz entspannt, immer am Straßenrand entlang, dann aber wurde es dunkel. Am Straßenrand war es in der Dunkelheit dann gar nicht mehr so gemütlich, nur wir mussten ja weiter. Beinahe wären wir an Hakone vorbeigewandert, aber als wir dann doch den Richtigen Abzweig fanden, hatten wir noch zwei Stunden Zeit, bis unser Zug zurück ging. Wir fragten uns nach einem Onzen, einem heißen japanischen Bad, durch. Und wir fanden eines. Das war irre. Die Klamotten kamen in einen Locker, drinne musste man sich zunächst mit einem Holzkübel abspülen und waschen, bevor man sich gaaaanz langsam in das 50°C (gefühlte Temperatur) heiße Wasser setzen konnte. Eine Seite der Halle war nach außen offen und von der Terrasse konnte man die Umrisse der umliegenden Berge sehen. Neben uns saß ein Deutscher im Pool und wir kamen ins Labern. Was soll ich sagen, kleine Welt: er kam aus Schkeuditz, bei Leipzig... Marcus machte inzwischen den Herzkasper, bei Aufstehen gab sein Kreislauf nach und er musste sich erstmal ein Weilchen hinsetzen. Insgesamt war das Onzen schon eine geile Sache, obwohl ich es noch besser gefunden hätte, wenn es nicht nach Geschlechtern getrennt gewesen wäre.

20:20 saßen wir drei dann völlig erschöpft im Zug nach Tokyo, 23:00 waren wir zu Haus und die anderen hatten schon Spagetti gekocht.
Alles in allem war das mal ein Top-Tag!

Bildergeschichte Gruppe 1:

Bildergeschichte Gruppe 2:

31. Dezember 1999, Mittwoch:

Alle anderen haben noch gepennt, ich stand um 11:00 auf und machte mich auf den Weg nach Shibuya, um mir auch noch so einen Sampler zu kaufen, wie wir für Matze schon besorgt hatten. Der hat mich 22.600¥ gekostet. Als ich dann um 13:00 wieder zurückkam, hatte ich das Frühstück nur knapp verpasst.

Dann haben wir nur noch in Sugamo Souvenirs gekauft und später einen kleinen Mittagsschlaf gehalten. Der Tag sollte ja erst am Abend richtig losgehen.

Um 20:00 zog unsere gesamte Crew plus Alex, Lena und ein paar Amis zum Norbert, einem arbeitsamen Deutsche, der sich in Tokyo dumm und dämlich verdient und so irgendwas 30+ alt war. Bei ihm gab’s zwar nicht direkt eine „Party“, aber immerhin jede Menge zu trinken. Er gab uns auch noch ein paar Falschen Sekt mit auf den Weg, als wir uns 23:30 verabschiedeten.
Danke Norbert.
Wir zogen zum Meji-Schrein [Marcus???]. Am Schrein kamen sie alle zusammen, so ziemlich halb Tokyo muss dort gewesen sein, denn wenn um Mitternacht die große Glocke geschlagen wird, ist das mal ein echtes Erlebnis.

Ich musste pissen.
Als ich schließlich einen Busch gefunden hatte, der von den Umstehenden nur schlecht einzusehen war, mein Geschäft verrichtet hatte und dahinter wieder hervor kam, hatte ich doch tatsächlich den Jahreswechsel verpisst. Die Leuchtschrift am Tokyo-Tower zeigte „2000“ und mir wurde erklärt, dass wohl auch jede Menge Luftballons in die wohlverdiente Freiheit entlassen worden waren. Schade. („Und, was hast du so zum Jahrtausendwechels gemacht???“, na super...)

Jetzt wurde es hier recht lustig. Unsere Crew war kreuz und quer unter der Menschenmasse verteilt, wir tranken noch was von Norberts Sekt und lernten auch drei Japanerinnen kennen, mit denen wir eigentlich anstoßen wollten. Das fanden sie glaub ich eher komisch. Sie wollten dann auch nicht mit zu uns nach Hause kommen, sondern mit dem Zug aus der Stadt raus, auf einen Berg und den Sonnenaufgang begrüßen. So macht man das in Japan, zum Jahreswechsel.
Ordentlich angeheitert waren wir sowieso schon und inzwischen auch richtig auf den Geschmack gekommen. Marcus, Sebi und ich zogen los nach Shinjuku, weil wir hofften, das ginge noch was. Tat es aber nicht, da war alles tot (kein Wunder, wir waren auch auf der falschen Seite der S-Bahn-Station ausgestiegen und ziellos umher geirrt.) Also ab nach Shibuya, dort waren zwar noch ein paar Leute unterwegs, aber alles, was mal gut war, war inzwischen vorbei. Wir kamen zu spät. War auch schon so um 4:00 rum. In der S-Bahn nach Hause bin ich wohl eingepennt und irgendwann um 5:00 waren wir im Bett.


 
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