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Weihnachten in Tokyo, 1999.

19./20. Dezember 1999, Sonntag, Montag:

Meine Cousine fuhr Bäumchen und mich zum Flughafen nach Tegel. Wir waren schon Samstag Abend in Berlin angekommen und konnten bei ihr schlafen (herzlichen Dank noch mal dafür) und in aller früh schwangen wir uns am Sonntag in meinen Wartburg. Zwischen den beiden (Wartburg und Cousine) funkte es nicht gleich auf Anhieb, aber wir kamen wohlbehalten zum Flieger.

Um 8:00 waren wir auf unseren Flug nach Zürich eingechecked und um die Mittagszeit warteten wir auf dem dortigen Flughafen vergeblich auf den Rest der Crew. Die kamen nicht, sondern hatten eine Abkürzung genommen, direkt nach Tokyo, ohne Zürich. Ihr Zubringerflug war gestrichen worden.
Dann ohne.
Der Flug nach Tokyo war nett, die Stewardessen hübsch, um zu schlafen kamen zu viele gute Filme.

Als wir beide gute zehn Stunden später in Tokyo landeten, standen die anderen drei immerhin schon am Flugsteig. Wenigstens das klappte.
Ursprünglich hätte uns jetzt Marcus abholen sollen, weil er doch der einzige war, der sich hier halbwegs zurecht fand, dass klappte nicht. Er hatte vorher bescheid gesagt, Schmeissi den Weg erklärt, und würde uns dann an eben am Bahnhof bei ihm zu Hause abholen.

An der Station Ueno standen er und Alex, ein weiterer Deutscher Student in Tokyo, dann auch am Bahnsteig und nahmen Schmeissi seine schwere Reisetasche ab. Darin hatte er 10kg Essen (Nudeln, Wurst, Käse, sogar einen Weihnachtsstollen) über die Grenze gebracht. Die Zöllner hatten sogar noch einen kurzen Blick rein geworfen, aber Gott sei Dank nicht unter seine Pullover geschaut - sonst wäre Tokyo noch mal ein Stück teurer geworden. Wir gingen zu Marcus’ Wohnung.

Der erste Eindruck von Tokyo: sooo furchtbar viel anders ist es hier auch nicht.

Wir sind später bloß noch in der Nachbarschaft umher gewandert, haben eine Bank gesucht und sind auf das Dach von Marcus Uni geklettert.
21:30 Nachtruhe.

21. Dezember 1999, Dienstag:

Schafen ging ganz gut, ölsardinenmäßig auf den Tatamimatten in Marcus’ Zimmer. Mit fünf Leuten war das so voll, dass er selbst leider in der Küche pennen musste.

Gegen 10:00 quälten sich alle aus den Schlafsäcken und wir frühstückten gemütlich zusammen. Tokyo würde uns für ein paar Tage beschäftigen, zu sehen gab es genug. Jetzt stand erstmal Askasra auf dem Programm. Da gab’s einen Schrein und einen Tempel. Schön. Irgendwo in der Nähe holten wir uns was zum Mittag (15:00), für mich Curryreis kostete 450¥, war das günstigste, schmeckte aber nicht sonderlich. Dafür braucht man wenigstens noch keine Stäbchen (hatte trotzdem vorher zu Hause heimlich trainiert).

Wir liefen nach Ginza, das mit mehrfach überbauten Straßen beeindruckte. Dort gab’s auch das ein oder andere Kaufhaus, Buchläden usw. Nicht schlecht waren auch die Spielzeugläden. Hätte ich nicht gewusst, dass ich damit nie nach Deutschland reinkäme, hätte ich wahrscheinlich doch ein paar Tausend Yen in eine Softair-Maschinenpistole von Tokyo Marui investiert. Die hatten 1a Nachbauten von HKs, Uzis, Kalaschnikovs und was es sonst nicht noch alles gibt – im Spielzeugladen wohlgemerkt!

Abends dann zurück und daheim was getrunken. Anschließend machten wir uns noch mal auf nach Sagano, ins Rotlichtviertel, da war aber nix los.
Noch auf einen kleinen Mitternachtsimbiss zum Mos-Burger und dann ins Bett.
(Ja, der Jetlag. 2:30 war ich schon wieder munter.)

22. Dezember 1999, Mittwoch:

Zwischen 5:00 und 11:30 dann doch noch mal ordentlich was weggeschlafen und um 12:00 rum waren alle aufgestanden. Heute zog es die technikbegeisterten Jungs unseres Jugendlagers ins Viertel Akibhabara, den Elektronikbasar der Metropole. In Läden, Kaufhäusern und an Straßenständen wurde da so ziemlich alles verkauft, was blinkte, piepste, oder auf die ein oder andere Weise irgendwie nützlich war und Strom verbrauchte. In einem der Kaufhäuser probierten wir der Reihe nach alle Massagesessel durch. Wenn ich mal richtig viel Geld haben sollte, muss so ein Teil ran, die sind schon sehr angenehm. Eigentlich hatte ich mir gedacht, Elektronisches wäre in Tokyo billiger, war es aber tatsächlich nur marginal. Ein paar Videoläden gab es auch, einer hatte 8 Etagen voll mit japanischen Pornos, darunter richtig derbe Sachen. Trotzdem waren die entscheidenden Stellen verpixelt.

16:00 fanden wir uns alle wieder zusammen und gingen einen Happen essen. Rahmen, eine Nudelsuppe, so etwa das japanische Nationalgericht, ähnlich wie der deutsche Döner. Für die nächsten Tage probierten wir ein paar unterschiedliche Variationen dieser Suppe, war schließlich so ziemlich das billigste, was man bekommen konnte und was dabei trotzdem satt machte.
Für eine Verschnaufpause fuhren wir dann erstmal zurück. Als wir wieder fit waren, zogen wir noch mal zu viert los, in Marcus’ Uni und zum Einkaufen.

Gegen 21:00 wurde es dann richtig schön. Marcus, Bäumchen, Sebi und ich fuhren in den Stadtteil Shinjuku und das Tagebuch sagt an der Stelle:

„Wow! Alles voller Lichter; Alles voller Leute. Beinahe wie Loveparade ohne Mukke, beinahe wie lebendig gewordenes Internet. Alles kannst du hier haben, wenn du dafür bezahlen kannst.“

V.a. jugendliche, aufgedonnerte Japaner bevölkerten das Viertel, die Mädels gern braungebrannt, mit hohen Stiefeln, Felljacken und superkurzen Röcken, viele waren besoffen.
Endlich bin ich zuhause...
(Leider sind die paar Fotos davon ziemlich verwackelt - war ja dunkel. Deshalb gibts hier keine.)
Im Liquid Room nahmen wir ein paar Flyer mit, kehrten in ein winziges Restaurant am Straßenrand ein, und bestellten Sake. Sebi hat sich mit zwei älteren Japanern im Anzug unterhalten, die uns dann noch zwei Flaschen des warmen Reisweins spendiert haben. Ein paar Häppchen aßen wir auch noch und gegen 24:00 machten wir uns mit einer der letzten Bahnen auf den Weg zurück. Marcus, Bäumchen und ich, wir sind reingekommen. Sebi hat’s nicht geschafft und musste die nächste nehmen – die Bahn war proppenvoll um Mitternacht in Shinjuku.

23. Dezember 1999, Donnerstag:

Gegen Mittag standen wir auf und dann ging es mit der ganzen Crew in einen Park. Der kostete Eintritt (300¥). Schmeissi, Marcus und Bäumchen sind umsonst reingekommen (über’n Zaun). Der Park war wirklich schön. Gepflegt, so wie man sich einen japanischen Park eben vorstellt. In einem kleinen Holzhaus konnte man an einer Teezeremonie teilnehmen (500¥). Einmal wollten wir das wenigstens ausprobieren. Der Tee wird dabei nicht einfach nur eingeschenkt und getrunken, sondern nach festgeschriebenen Abläufen zubereitet, aufgeschäumt, eingeschenkt und dann zu sich genommen. Dabei sollte man wenn möglich die ganze Zeit aufrecht knien – und das strengt nach einer viertel Stunde ganz schön an.

Anschließend zogen wir weiter nach Ikebukuro und suchten ein Hochhaus. Auf Schildern wurde auch mehrfach ein Observatorium (=Aussichtsplattform?) angepriesen, aber entweder haben wir das nicht gefunden oder wollten es nicht finden um Eintritt zu sparen. Stattdessen stiegen wir in der 57. Etage aus dem Lift und öffneten ein Luftschachtfenster für den ungetrübten Blick nach draußen und für ein paar schöne Fotos. Zwei Minuten später bog ein Wachmann um die Ecke, guckte uns grimmig an (na ja, jedenfalls hat er nicht gelächelt, in Japan heißt dass eben so viel wie grimmig dreinschauen) und schmiss uns raus.

Danach trennten wir uns für ein Weilchen. Marcus, Bäumchen und mich verschlug es auf ein Bier ins HUB, einen englischen Pub. Um 20:00 gesellten sich Alex und Sebi noch dazu und wir zogen in ein kleines Restaurant um dort was zu trinken. Ein japanischer Freund von Marcus, Shim Pei, stieß ebenfalls dazu. Deutlich angetrunken holten wir und dann gegen 23:00 noch ein paar Filme aus der Videothek und zogen uns die vorm schlafen gehen noch rein. War alles in allem ein sehr geiler Tag (aber auch teuer).

24. Dezember 1999, Freitag:

Weihnachten.
Wir fuhren nach Harayuku, einem Stadtteil voller junger hipper Leute, mit abgedrehten Klamottenläden, aber alles sauteuer. Marcus hatte sich hier mit zwei Japanerinnen verabredet, die uns mit in ein Restaurant nahmen. Es gab Rahmen (750¥).
Nebenan erstreckte sich ein Park mit dem Meji-Schrein drinne. Das war der größte Park weit und breit und wir wanderten bis 17:00 darin herum. Mir gefiel er. Anschließend fuhren wir nach Shinjuku rein. Wenigstens einmal wollten wir in Tokyo in einen Club gehen und so organisierten wir Karten für’s Liquid Room. Für Matze kauften wir gleich noch einen bestellten Sampler (Zoom ST244) und ab ging’s nach Hause.

Dort machten wir es uns dann doch ein wenig weihnachtlich, mit Kerzen, Keksen und Glühwein. Schon um 1:00 ging’s ins Bett.


 
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