0. Vorab

Ein Bisschen Schwermut war schon bei der "Planung" unseres Australientrips zu spüren. Es würde wohl unser letzter gemeinsamer ausgedehnter Männerurlaub in bewehrter Besatzung werden. Diesmal zu dritt, ohne Goldi. Schmeissi und Marcus hatten gerade ihre Diplomarbeiten eingereicht, ich würde meine Abschlussarbeit in ein paar Tagen beginnen, und was danach werden würde, wusste keiner. Aber Vieles deutete darauf hin, dass auf uns (wenigstens die andern beiden, bei mir seh ich noch schwarz) irgendwo geregelte Jobs mit zwei Wochen Jahresurlaub warteten, die Freundin vielleicht eine solidere Basis einfordern würde, und ganz weit hinten am Horizont zeichneten sich vorsichtig auch schon ein Haus und zwei Kinder ab. Vielleicht ist mein Blick auch ein wenig dadurch getrübt, dass diese Vorbetrachtung erst im Nachinein entstand und deshalb ein wenig wehmütiger klingt, als es sich tatsächlich anfühlte. Aber eine kleine Einführung muss sein, sonst wäre nämlich nicht klar, dass Schmeissi bereits vor zwei Jahren für ein paar Wochen auf dem Inselkontinent, v.a. im Osten und in der Mitte unterwegs gewesen ist, Marcus vor Antritt unserer Reise eine vier-wöchigen Sprachkurs in Brisbane vorschob, damit auch was sinnvolles für den Lebenslauf bei der ganzen Aktion rauskommt, und dass ich mit einem Working-Holiday Visum bereits seit einem halben Jahr an der Gold Coast bei meiner Freundin wohnte. Deswegen trafen wir uns auch dort, und nicht etwa im spannenderen Westen Australiens, oder in Darwin oder irgendwo sonst, wo nix los ist, außer Natur.
Dafür, dass "Planung" oben in Anführungszeichen steht, gibt es auch eine Grund. Sie beschränkte sich nämlich darauf, Flugtickets, einen Mietwagen, Campingausrüstung und einen Lonely Planet klar zu machen. Alles Weitere würde sich von selbst ergeben.
Tat es dann auch.

17.5.: Schmeissi landete irgendwann am späten Vormittag in Brisbane, holte das Auto am Flughafen ab, und dann Marcus, bei dessen Gastfamilie. Gegen Mittag klopften die Beiden mit nem Packen Bier an meine Tür. Während wir das leerten, präzisierten wir ein wenig unsere Vorstellungen über die Reiseroute. Wo wir hinfahren wollten, wussten wir bis dahin ja noch nicht. Deswegen wurde erstmal die Landkarte ausgefaltet und beraten. Eine Weile dachte ich an die Nordspitze Queenslands, Schmeissi wollte vor allem viele, harte und lange Wüstentracks im Zentrum fahren, und Marcus war, glaube ich, alles recht. Mit dem Landesinneren als grobes Ziel waren wir dann alle einverstanden, bauten am Abend beim Patrol die Rücksitze raus - sonst ist mal nicht genug Platz, räumten unser Gepäck rein und warteten gespannt auf den nächsten Morgen.

1.Etappe: Gold Coast bis zum Sandover Highway.

18.5., bei Abfahrt: 5150km: Früh aufgestanden und Haare abrasiert. Der Trip sollte uns ja allen in langer Erinnerung bleiben. Deswegen saßen wir jeder nacheinander auf dem Stuhl im Garten. So verteilt sich die Haarpracht wenigstens nicht über den ganzen Teppich. Bei Schmeissi gabs eh nicht viel zu tun, bei mir schon deutlich mehr. So 'nen kurzen Russenhaarschnitt hatte ich seit der dritten Klasse nicht mehr. Egal.
Um 9:30 gings los, zunächst jedoch bloß bis zu AVIS, weil Marcus und ich uns noch als Fahrer eintragen mussten. Der Autovermieter gab uns nochmal mit auf den Weg, das Gefährt nur auf befestigten Straßen zu bewegen, das stünde auch so im Vertrag. Ja klar, passt schon.
Dann auf nach Toowoomba, so zwei Stunden Fahrt ins Landesinnere, über die Great Dividing Range. Sobald man nur eine halbe Stunde ins Landesinnere fährt, wird alles schon merklich ländlicher. Der Verkehr dünnt aus, Siedlungen werden klein und liegen weit auseinander, die Großstadt-hektik liegt bald weit zurück. Auf der Great Dividing Range, in Toowoomba, legten wir eine Mittagspause bei Burger King ein. Bis dahin hatten wir uns den Mietvertrag nochmal angeschaut und festgestellt, dass wir auch nicht ins Northern Territory und in den lustigen Teil von Westaustralien dürf(t)en. Weiter gings. Halb sechs waren wir in Roma nach 670 gefahrenen Kilometern zum ersten Mal tanken. Haupttank war leer und fasste 94 Liter, Nebentank war noch ziemlich voll. Wegen der Reichweite mussten wir uns also nicht sorgen. Drei 20-Liter-Kanister hatten wir ja auch noch. Bald würde es aber dunkel werden und es war Zeit, uns einen Schlafplatz zu finden. Den hatten wir dann etwa eine halbe Stunde später bei Muckidalla entdeckt. Neben einem Feldweg schlugen wir unser Zelt auf.

19.5.: Die meiste Zeit des Tages wurde gefahren, durch flaches Land ringsum bis Blackall, wo wir 15:00 eintrafen. Dort gings an die Tanke und in nen IGA-Supermarkt, um Wasser zu kaufen. Zur Abwechslung stand in der Nähe auch ein National Park für uns bereit. Wir dachten, da wäre es vielleicht schön und wollten mal vorbeischauen.
Also dümpelten wir über 100km Feldwege, bis wir im Idalia National Park ankamen (wo es dann wirklich nichts zu sehen gab, aber National Park klang halt erstmal gut). Da erwarteten uns Tausende Fliegen. Den Rest des Abends brachten wir unterm Moskitonetz zu, mit Bier und Skat.

20.5., bei Abfahrt 6325km: Morgends ging es los, gen Longreach, und zwar wieder über 100km Feldweg. Dafür ist das Auto ja auch gebaut. Links trockene Weiden, rechts trockne Weiden und ein verdorrtes Eisenbahngleis, im Rückspiegel eine Staubwolke.
In Longreach gabs dann wieder Asphalt und Marcus überfuhr irgendwas kleines. Dann wurden nochmal die Lebensmittel aufgestockt und es ging's weiter, nach Mitchell, wo die Straße nach Boulia, dem so zielmich letzten Ort im Queensland, beginnt. Die ist asphaltiert, einspurig, leer und gut 400km lang. Auf dem Weg nach Boulia gibt's nüscht, garnüscht. Ein paar Sträucher zu beiden Seiten, weiter hinten ein paar Hügel, aber keine Stadt, kein Dorf, kein Haus. Zur Abwechslung fuhren wir  mal ein Weilchen neben der Straße. Da konnten wir gleich die Offroadqualitäten unseres Patrols testen.
Irgendwann wurde es dunkel. Auf der Hälfte des Weges, mitten im Busch mit zweihundert Kilometern nichts zu beiden Seiten, kamen wir dann an einem Pub/Hotel vorbei. Der war urig. Ein Bier und ein Sandwich als Abendbrot mussten sein, die Einheimischen waren alle schon dicht, der Barkeeper machte sich ein Bier nach dem anderen auf. Weil er wohl dachte, wir wären auch besoffen, wollte er Schmeissi ums Wechselgeld bescheissen. Und er lobte unser Auto. War das Sarkasmus? Alle anderen fuhren dreckige, zerbeulte alte Landcruiser mit unzähligen Kängaruheinschlägen in der Front. Wir wirkten mit unserm noch halbwegs sauberen neuen 70.000-Dollar 4WD hier draussen wie verzogene, reiche Städter. (Wie hieß doch gleich dieser Film, wo ein Amerikaner in der Wüste mit seiner Frau und seinem Jeep Cherokee liegen bleibt, von einem Trucker in den nächsten Ort mitgenommen wird, und sein Auto und seine Frau nie wiedersieht?) Er bot uns an, hier im Hotel zu übernachten.
Das wollten wir aber wirklich nicht, auch wenn seine Tochter ein süßes Haustier hatte. Deshalb verabschiedeten wir uns und fuhren (vorsichtig, wegen der Viecher) noch ein paar Stunden weiter durch die Nacht Richtung NT. Auch für die nächtsen 200km sollte die Strecke nichts Aufregendes zu bieten haben. Irgendwann nach 21:00 bauten wir dann am Wegesrand das Zelt auf.

21.5., bei Abfahrt 7062km: Ohne Frühstück ging's nach Boulia rein. Dort gabs zum ersten Mal auch Aborigines zu sehen. Zeit für ein letztes Telefonat, nicht ohne den lehrbuchgerechten Hinweis auf unseren Aufenthaltsort für die nächsten paar Tage, damit wir auch gefunden werden, falls wir nicht zurückkommen, und dann schlugen wir den Feldweg zum Sandover Highway ein.
Der führte uns zunächst nach Urandangi, einer kleinen Schwarzensiedlung, die vornehmlich aus runtergekommenen Wohnwagen besteht. Gegenüber vom Drunk-Tank (den man dort sicher auch braucht, den die Einheimischen waren schon gut drauf, und es war gerade erst Mittag) gab's auch ein richtiges Haus. Das war der örtliche Pub. Und dort aßen wir die schlechteste Hot-Dogs, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die schmeckten etwa wie Pappe aus der Microwelle, alte Pappe. Schmeissi war mutig genug, die Hälfte von meinem mitzuessen. Danke.
Eine Sippe Einheimischer kam derweil um sich uns genauer anzuschauen. Sie erzählten auch irgendwas, aber - ganz ehrlich - ich hab kein Wort verstanden. Freundlich waren sie aber. Das ausliegende Gästebuch gab darüber Aufschluss, dass hier fast täglich einmal Touristen durchkommen. Wir wollten v.a. weiter.
Bis zum "Highway" waren es immer noch gut 100km (Umweg, übrigens. Es gäbe auch eine direkte Route nach Alice Springs, den Plenty Highway, aber dort wollten wir garnicht lang.) Durch karge trockene staubige Steppe ging's über Sandpisten Richtung NT. Ab und zu lagen Autowracks am Straßenrand. Die sahen wir hier zum ersten Mal aber sowas liegt überall im Zentrum rum. Offenbar benutzen die Aborigines die als Wegweiser. Links und rechts der Straße war das Land kilometerweit mit Termitenhügeln gesäumt. Etwa halb fünf waren wir dann dort, wo der eigentliche Sandover Highway begann.

zurück nächster